Solidarität mit der Ärztin Kristina Hänel

 

Im Herbst diesen Jahres ist die Ärztin Kristina Hänel vor dem Amtsgericht Gießen zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Ihre Straftat? Über einen Link auf ihrer Homepage hatte sie über Abtreibung, über Methoden und Risiken informiert.
Grundlage der Verurteilung ist der Paragraph §219a StGB, der “Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft” verhindern soll. Allerdings fallen auch sachliche und fachliche Informationen unter den Paragraphen, wie an diesem Gerichtsurteil deutlich wurde.
Dabei ist dieser Paragraph überhaupt nicht notwendig: Das Werbeverbot ist bereits gesetzlich sowie standesrechtlich durch die Ärzt*innenschaft geregelt. Dieses Gesetz wird vielmehr immer wieder von selbsternannten Lebensschützern genutzt um Druck auf Ärzt*innen auszuüben, die Schwangerschaftsabbruch ermöglichen und öffentlich darüber informieren. Ein Schwangerschaftsabbruch ist für viele Menschen emotional sehr belastend und zu einer so schwierigen Entscheidung kann oft noch Zeitdruck kommen, damit der Eingriff innerhalb der gesetzlich geregelten Fristen erfolgt. In einer solchen Situation würde es in der Verantwortung der Ärzt*innen liegen, betroffene Personen zu unterstützen. Der Paragraph §219a jedoch erschwert Frauen, an vertrauenswürdige Informationen zu kommen und nimmt ihnen ihr Recht auf freie Ärzt*innenwahl, sie sind oftmals angewiesen auf Informationen und Adressen, die sie von den Beratungsstellen erhalten. Hinzu kommt, dass immer weniger Ärzt*innen einen Schwangerschaftabbruch durchführen wollen, weil sie sich in einem rechtlichen Graubereich bewegen, wie die Urteilsprechung von Kristina Hänel beweist. 
§219a ist ein Relikt aus der Zeit der Nationalsozialist*innen, er wurde 1933 erlassen und ist seitdem kaum verändert worden. Er muss in Zusammenhang mit der Geburtenpolitik, dem Frauen- und Familienbild in der NS-Diktatur gesehen werden.
Wir erklären uns daher solidarisch mit der Ärztin Kristina Hänel, die sich gegen dieses Gesetz engagiert. Die Forderung ist bereits bei den großen Parteien angekommen, Grüne, SPD, Linke und FDP wollen diesen Paragraphen abschaffen oder zumindest reformieren. Dieser Paragraph ist veraltet und besitzt keine Berechtigung, seine unrühmliche Geschichte sollte endlich beendet werden. 

In Deutschland gibt es kein Recht auf Abtreibung
Durch das Gerichtsurteil gegen die Ärztin Kristina Hänel wird über das Thema Schwangerschaftsabbruch endlich wieder öffentlich diskutiert. Zu viele Personen sind nur schlecht informiert, in den meisten Schulen erfahren die Schüler*innen wenig bis nichts über das Thema und selbst im Medizinstudium wird kaum etwas darüber gelehrt. Dabei ist die jetzige rechtliche Situation in Deutschland durchaus diskussionswürdig:
Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland noch immer eine Straftat, die allerdings unter gewissen Bedingungen straffrei bleibt, nämlich wenn der Eingriff innerhalb der ersten 14 Schwangerschaftswochen durch eine Ärztin/einen Arzt und nach Beratung erfolgt. Die Beratung soll nach dem Gesetz die Frau zur Fortführung der Schwangerschaft ermutigen. Obwohl natürlich ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass es um die freie Entscheidung der Frau geht, können Unterschriften vorenthalten werden, sodass ein weiterer Termin stattfinden muss. 
Die Kosten für den Eingriff müssen selbst getragen werden, sie belaufen sich, je nach Methode und ambulant bzw. stationär auf 200 bis über 500€. Nur bei geringem Einkommen übernimmt das jeweilige Bundesland die Kosten. 
Frauen sehen sich also mit vielen Hürden konfrontiert, wenn sie sich für eine Abtreibung entscheiden. Tatsächlich wird ihre Entscheidung gesellschaftlich nur geduldet, es gibt kein Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch. Das wirft die Frage auf, inwieweit hier Frauen tatsächlich selbstbestimmt über den eigenen Körper entscheiden können.
Kein Verhütungsmittel garantiert eine absolute Sicherheit, ungewollte Schwangerschaften gibt es seit jeher und wird es immer geben, daher wird es auch immer Frauen geben, die sich für eine Abtreibung entscheiden. Je mehr ihnen das erschwert wird, desto häufiger werden auch unsichere Methoden genutzt. 
In einem aufgeklärten und demokratischen Land ist ein solcher Paragraph nicht mehr zu erdulden, nicht nur in Hinblick auf die vorherrschende strukturelle Ungleichheit für Frauen, die §219a verkörpert und die abgebaut werden muss, sondern auch bezüglich des Umgangs mit der Geschichte des dritten Reichs. Es kann nicht sein, dass immer noch Gesetze der damaligen nationalsozialistischen Zeit heute Menschen in ihrer freien Entscheidung einschränken und dazu führen, dass Handlungen praktizierender, verantwortungsvoller Ärzt*innen als illegal veruteilt werden. 
Wir fordern darüber hinaus eine komplette Legaisierung von Schwangerschaftsabbrüchen mit der Abschaffung des §218, eine damit einhergehende bessere Aufklärung und einen Stopp der Tabuisierung des Themas. Wir sind für Aufklärung, für einen offenen Umgang mit dem Thema in Stundenplänen und in der Ärzt*innenschaft. Wir wollen eine endgültige Entscheidungshoheit für Frauen über ihren eigenen Körper.