Auf unserem Weg von Zagreb nach Sarajevo besuchen wir das Konzentrationslager Jasenovac, welches von 1941 bis 1945 von kroatischen Nationalist*innen des faschistischen Ustascha-Regimes geführt wurde. Somit war es das einzige KZ Europas, in dem ohne direkte deutsche Beteiligung systematisch gemordet wurde. Das gleichnamige, an das Konzentrationslager angrenzende, Dorf wirkt verlassen und trostlos. Es befindet sich in direkter Nähe zur Staatsgrenze zu Bosnien und Herzegowina.
Wir stellen unsere beiden Autos auf dem sonst leeren Parkplatz ab. Ein Historiker, der die Gedenkstätte schon seit sieben Jahren betreut, erwartet uns.
In den folgenden zwei Stunden zeigt er uns das Gelände. Von dem KZ, das unter anderem aus einer alten Ziegelsteinfabrik bestand, ist heute nichts mehr übrig. Ein Museum erinnert mithilfe verschiedener Medien an das Bestehen und die Geschehnisse vor Ort.
Wir laufen an den Schienen entlang, die der Deportation der Insass*innen diente. Ein kurzer Zug erinnert an den unmenschlichen Transport in Viehwagons.
Das Gelände ist riesig.
Kurz vor dem Ende des Krieges zerstörten die Aufseher*innen die Gebäude und ermordeten nahezu alle Insass*innen. Die Partisan*innen erlaubten nach ihrem Eintreffen, gemäß ihrer Politik, den Bewohner*innen Jasenovacs die Trümmer für den Wiederaufbau des Dorfes zu nutzen. Um den Aufbau des Konzentrationslagers zu rekonstruieren und für die Besucher*innen räumlich vorstellbar zu machen, sind die Standorte der ehemaligen Bauten nun durch Grashügel gekennzeichnet.
In ihrer Mitte thront ein gewaltiges Monument aus Beton, das an eine Blüte erinnert. Wir laufen auf einem über zwei Seen führenden Holzsteg darauf zu.
Im Monument angekommen zieht es, der Wind pfeift, wir frieren. Der Historiker erklärt uns, dass in Jasenovac vor allem Serb*innen, Jud*innen, Roma und politische Gegner*innen des Ustascha-Regimes zu schwerster körperlicher Arbeit gezwungen, misshandelt, dem Hunger ausgesetzt und auf grausame Weise ermordet wurden. Im Gegensatz zu anderen Konzentrationslagern wurde hier zum großen Teil auch von Hand getötet. Dabei sind für die Ermordung der Insass*innen neben Messern und Pistolen auch Hammer und Äxte zur Verwendung gekommen.
Nur 300 von den 82 000 den Historikern namentlich bekannten hier gefangen gehaltenen Menschen, überlebten durch Flucht.
Die angegebenen Opferzahlen schwanken. Betrachtet man kroatische Quellen liegen die offiziellen Zahlen bei 30 000, wohingegen sie in Serbien teilweise bei 1 000 000 verzeichnet sind.
In der Zeit des sozialistischen Jugoslawiens besuchten die Gedenkstätte etwa 300 000 Interessierte im Jahr.
Seit dem Zusammenbruch des Vielvölkerstaats teilt der Fluss Sava die KZ-Gedenkstätte in einen kroatischen und einen bosnischen Teil. Da es zunehmend zu Uneinigkeiten in der Verwaltung kam, blieb sie unter anderem für mehrere Jahre geschlossen.
Die Besucher*innenzahl nimmt immer weiter ab. Im Moment liegt sie bei ungefähr 11 000 Interessierten pro Jahr, zu denen lediglich 14 Schulklassen zählen. Dies liege, laut unserem Begleiter, an dem wachsenden Rechtsdruck und der schlechten geschichtlichen Aufarbeitung in beiden Ländern.
Der Besuch verdeutlicht uns, mit welcher Grausamkeit und menschenverachtenden Vorgangsweise das Ustascha-Regime versuchte ihr totalitäres System durchzusetzen.
Die noch heute bestehende Uneinigkeit zwischen Kroatien und Bosnien-Herzegowina bezüglich der Verwaltung ebenso wie der notwendigen Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte zeigt uns die möglichen Problematiken von Grenzziehungen auf.