Resolution zur Unterstützung der Forderungen der Beschäftigten der Berliner Krankenhäuser

Durch die COVID-19-Pandemie ist die gesamte Gesellschaft unter immensen Druck geraten. Aber im Besonderen sind nun die Beschäftigten in systemrelevanten Berufen den Gefahren dieses Virus ausgesetzt. So sichern alle Beschäftigten des Gesundheitswesens mit ihrer professionellen Arbeit die Gesundheitsversorgung der Stadt Berlin und stehen jetzt vor einer riesigen Herausforderung. Sie verdienen mehr als nur symbolische Dankesgesten.
Es haben über 4500 Beschäftigte von Charité und Vivantes die an den Senat und die Krankenhausleitungen gerichtete Petition „COVID 19: Der Schutz der Beschäftigten und der Patient*innen muss an erster Stelle stehen“ unterzeichnet. Darin fordern sie stellvertretend für alle Beschäftigten des Gesundheitswesens zurecht:

  • Ausreichend Schutzkleidung für alle Beschäftigten.
  • Engmaschige Testung der Beschäftigten.
  • Beschäftigte aus Risikogruppen müssen geschützt werden und sollten nicht in der Versorgung von infizierten Patient*innen eingesetzt werden.
  • Sofortige, angemessene Belastungszulage für alle Beschäftigten und Maßnahmen gegen Belastungssituationen.

Während unser Gesundheitssystem durch Covid-19 vor eine Zerreißprobe gestellt wird, halten wir über die Grenzen von Betrieben, Organisationen und Professionen zusammen.
Deshalb fordern wir nachdrücklich, dass die von den Beschäftigten beschriebenen Maßnahmen umgesetzt werden. Die Arbeit der systemrelevanten Beschäftigten muss endlich sicherer ausgeführt werden können. Und die zusätzliche Belastung, welche diese Menschen für uns alle auf sich nehmen, muss entschädigt werden.

**Klatschen ist gut, Krach machen ist besser**

Das Gesundheitssystem ist an Profit-Gier erkrankt und die Leidtragenden sind die, die schon seit Jahren dagegen auf die Straße gehen. Wir wollen nicht nur danke sagen, sondern mehr Geld & Zeit für Sorge – und Pflegearbeit fordern. Dafür kämpfen Pflegekräfte schon lange: Kranken- und Pflegeeinrichtungen sollen sich am Bedarf orientieren und keine Profite machen! Auch in anderen „systemrelevanten” Berufen, sind prekäre Arbeitsverhältnisse seit langem an der Tagesordnung. Lasst uns endlich zuhören, was sie sagen und ihren Forderungen ab Dienstag, den 07. April (Weltgesundheitstag) jeden Abend um 18:55 Uhr Nachdruck verleihen. Macht mit:

  1. Sprachnachricht runterladen (https://we.tl/t-S9YFPigsQK)
  2. 18:55 – Sprachnachricht abspielen (Fenster/Balkon)
  3. im Anschluss mit einstimmen in „Mehr von uns ist besser für alle”, “Keine Profite mit unserer Gesundheit
  4. 19:00 Uhr – Krach machen (z.B mit Töpfen)
  5. Leitet den Aufruf an Freund*innen, Nachbar*innen und Bekannte weiter

Link zur Facebook-Veranstaltung: https://www.facebook.com/events/541528866770004/ (hier findet ihr auch ein ausführlicheres Statement mit einer Auflistung der Forderungen der Pflegeden)

Lasst es krachen!

KRITIS ON AIR – Der Podcast der Kritischen Mediziner*innen!

Unsere Plena haben wir schon längst ins Home-Office umgelegt. Jetzt werden auch unsere Veranstaltungen, die wir sonst hätten absagen müssen, digital aufbereitet. Die Inhalte werden euch nun in Form eines Podcasts zugänglich gemacht!

Starten werden wir Anfang April mit Informationen und Hintergründen rund um das Coronavirus. Wie #stayathome, wenn du kein zuhause hast? Wo in Moria die Hände waschen, wenn es kein fließend Wasser gibt? Wie kranke Patient*innen versorgen, wenn du schon vor Corona am Limit warst? Kommt nach #flattenthecurve endlich #raisetheline?

STAY TUNED!

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Was hat die aktuelle Corona-Virus-Pandemie mit der Finanzierung deutscher Krankenhäuser über Fallpauschalen zu tun?

Wir möchten hier die Erklärung des Bündnisses Kranknehaus statt Fabrik zu den Ursachen des Corona-Virus teilen.

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Die Aussage von Minister Spahn, unser Gesundheitssystem sei auf die neuen Herausforderungen gut vorbereitet, ist eine krasse Fehldiagnose. Auch wenn Panikmache vollkommen unangebracht ist, hält diese uneingeschränkte Einschätzung einem Faktencheck nicht stand:

• Unsere Krankenhäuser sind auf ökonomische Effizienz getrimmt. Und da das
Finanzierungssystem über Fallpauschalen nur erbrachte Leistungen bezahlt, für das Vorhalten von Betten und Therapiekapazitäten für den Not- oder Katastrophenfall aber keine Mittel bereitstellt, werden solche Situationen in der Planung der Klinikabläufe auch nicht ausreichend berücksichtigt.

• Landauf landab werden in zunehmenden Ausmaß in vielen Krankenhäusern
Betten – auch auf Intensivstationen – gesperrt, weil – schon ohne den Andrang von zusätzlichen Covid-19-Erkrankten – nicht genügend Pflegekräfte zur Verfügung stehen, um die Patienten bei den vorhandenen Bettenkapazitäten angemessen zu versorgen. Für die Versorgung schwer kranker Covid-19-PatientInnen stehen also in Wirklichkeit weniger Betten zur Verfügung als dies aus den Krankenhausstatistiken herauszulesen ist.

• Im Zeitalter der DRG-Finanzierung ersetzt zunehmend die betriebswirtschaftliche Bilanz der Krankenhäuser die eigentlich auf Landesebene erforderliche Planung der Krankenhausstruktur nach Versorgungsgesichts- punkten. Daher werden Krankenhäuser ganz willkürlich geschlossen, wenn sie über mehrere Jahre ein Defizit erwirtschaftet haben. So ist schon heute die Versorgung der ländlichen Bevölkerung mit Kinderkliniken und Geburtshilfeabteilungen nicht mehr ausreichend gewährleistet. Zusätzliche Anforderungen durch die Corona-Pandemie werden diese Unterversorgung in ländlichen Regionen dramatisch verschärfen.

Die aktuelle Entscheidung des Gesundheitsministers, die gerade erst eingeführten und eigentlich viel zu niedrigen Pflegepersonaluntergrenzen anlässlich der Zusatzbelastung unseres Gesundheitssystems durch die Corona-Pandemie vorübergehend außer Kraft zu setzen, demonstriert diesen Widerspruch: Da wir in den Krankenhäusern zu wenig Fachpersonal haben, müssen Bettenkapazitäten gesperrt werden. Wenn die Patientenzahlen aber in einer Notsituation zusätzlich steigen, werden diese Missstände nicht nur wieder geduldet, sondern weiter verschärft, um noch mehr Patient*innen als bisher durch die Klinikbetten zu schleusen.

Wir vom Bündnis Krankenhaus statt Fabrik fordern daher, endlich unsere Krankenhäuser wieder funktionsfähig zu machen für eine Daseinsvorsorge ohne jede Einschränkung:

• Die Ausrichtung der stationären Versorgung auf betriebswirtschaftlichen Gewinn muss beendet werden. Krankenhäuser dürfen keine Gewinne machen, Verluste sind auszugleichen, wenn die Klinik für die Versorgung einer Region benötigt wird.

• Die Finanzierung darf nicht nur die medizinischen Leistungen im Normalbetrieb berücksichtigen, sondern muss auch alle Vorhaltekosten für außergewöhnliche Notfallsituationen sicherstellen.

• Die medizinische Behandlung im Krankenhaus ist Daseinsvorsorge. Daher
müssen Krankenhäuser da demokratisch geplant und betrieben werden, wo sie für die qualitativ gleichwertige Versorgung gebraucht werden, nicht da wo der Träger mit ihnen Gewinne erwirtschaften kann.

• Die angemessene Personalausstattung im Krankenhaus ist eine elementare
Voraussetzung für gute Behandlung der Patient*innen und keine Schönwettermaßnahme, die bei jedem drohenden Sturm wieder kassiert werden kann.

Dr. Nadja Rakowitz (Pressesprecherin)

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Die Erklärung als pdf

Danke für die Unterstützung am 8. März!

Wir möchten allen danken, die am 8. März bei der Aktion auf dem Robert-Koch-Platz mitorganisiert und mitgeholfen haben! Nebenbei wurde Robert Koch seine sonst von ihm so vernachlässigte Care-Arbeit zu Teil und Aktivist*innen haben außerdem ein Banner aus dem Bettenhochhaus wehen lassen. Mehr Eindrücke der berlinweiten Proteste hier

Jeder Tag ist Frauen*kampftag!

Aktion am 8. März

Überall schuften Frauen* für zu wenig Geld
oder ohne Bezahlung!

Unsere Arbeit ist das unsichtbare Fundament,
auf das das gegenwärtige Wirtschaftssystem
gebaut ist. Dieses wäre nicht möglich, würden wir nicht unter den
prekärsten Umständen arbeiten: an Sonn-Feiertagen, mit
schlechter oder gar keiner Bezahlung, illegal, im Haushalt, in
der Kinderbetreuung, in der Pflege- und Sorgearbeit – oftmals
begleitet von sexualisierter und rassistischer Gewalt.

Als zweitgrößte Arbeitgeberin Berlins ist die Charité mit
dem von ihr betriebenen Outsourcing und der angestrebten
Gewinnmaximierung ein Paradebeispiel für das patriachale
Wirtschaftssystem, das uns in prekären Verhältnissen arbeiten
und leben lässt.

Lasst uns am 8. März das von uns geschaffene
Fundament sichtbar machen, indem wir
jegliche Arbeit niederlegen!
Kommt zur Aktion!

Wann? 8. März 2020, 11-13 Uhr
Wo? Robert-Koch-Platz (Charité) Berlin

 

Bewegungsratschlag: “Krankenhaus statt Fabrik”

Vom 29.11. bis zum 01.12. fand in Berlin der Bewegungsratschlag des Bündnisses “Krankenhaus statt Fabrik” statt. Neben Vernetzungstreffen, unter anderem auch zwischen Kritischen Mediziner*innen aus unterschiedlichen Städten, ging es primär um die inhaltliche Arbeit.

Welche Möglichkeiten haben wir, uns gegen die umgreifende Ökonomisierung im Gesundheitssektor zu wehren? Zu diesem Thema haben wir als Berliner Ortsgruppe einen Workshop mitorganisiert. Die Ergebnisse soll es bald in schriftlicher Form im praktischen Kitteltaschenformat für Ärzt*innen geben.

Auch Neuerungen im Fallpauschalensystem, in dessen Rahmen Leistungen im Krankenhaus vergütet werden und das als eine der Ursachen für den enorm gestiegenen Ökonomisierungsdruck in der Gesundheitsversorgung gilt, wurden diskutiert. Dass Herausrechnen der Pflege aus den Fallpauschalen (DRGs) etwa erhöhe zwar zunächst den Druck auf die Krankenhäuser, stelle aber langfristig einen wichtigen Schritt zur Abschaffung der DRGs dar. Podiumsgast Prof. Michael Simon sprach sich unterdessen für das Selbstkostendeckungsprinzip als Finanzierungsalternative aus.

 

Erneute Umbenennungsaktionen

Anstatt der geschichtsrevisionistischen Verherrlichung Ferdinand Sauerbruchs in der ARD-Serie “Charité” zu widersprechen, äußert sich die Charité gar nicht erst zu der Diksussion um die vielen zweifelhaften Figuren, die vielfach sogar mehr waren als  ‘Mitläufer’. Auch auf einen offenen Brief, den neun Hochschulgruppen der Charité, HU sowie der FU Berlin unterzeichnet haben, wurde gar nicht erst reagiert.

Deshalb freuen wir uns, dass Aktivist*innen – nun schon zum dritten Mal – auf ihre Art gegen das Vergessen und eine unkritische Erinnerungskultur vorgehen. In der Nacht vom 25. zum 26.11. wurden der Sauerbruchweg sowie der Bonhoefferweg auf dem Charité Campus in Mitte überklebt. Es bleibt bei den bereits verwendeten Vorschlägen: Emma Haase und Käte Frankenthal.

Neu hinzu kam nun Schriftzüge auf den Bürgersteigen des Geländes: “Warum ehren wir NS-Mitläufer?” “Wer befürwortete Zwangssterilisationen?” Außerdem wurde ein Banner aus dem Bettenhochhaus  gehängt: “SauerbruchMUSSweg”

 

Stellungnahme: „Erweiterte DNA-Analysen“ gefährden Minderheiten!

Hier eine Stellungnahme des GeN (gen-ethisches Netzwerks e.V.), die wir mitunterzeichnet haben:

(Berlin, 12.11.2019) Entgegen aller Argumente und Warnungen vielfältiger Wissenschaftler*innen, Vertreter*innen von Minderheiten und von Datenschutzexpert*innen sollen sogenannte Erweiterte DNA-Analyse schon diese Woche im Schnellverfahren eingeführt werden.Mit dem „Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens“ soll die polizeiliche DNA-Analyse von Alter, Augen-, Haut und Haarfarbe von unbekannten Personen aus Tatortspuren erlaubt werden.„Als zivilgesellschaftliche Organisationen sorgen wir uns um die Sicherheit von Minderheiten, denn nur diese werden von einer solchen Fokussierung polizeilicher Ermittlungen betroffen sein. Wir kritisieren, dass die Gefahr eines rassistischen Diskriminierungseffekts nicht ernst genommen wird. Ebenso erfolgt mit der Ausweitung der DNA-Analyse ein massiver Einschnitt in bisherige Datenschutzstandards – von dem potenziell alle Bürger*innen betroffen sein werden“so die Molekularbiologin Dr. Isabelle Bartram vom Gen-ethischen Netzwerk.Schon im Mai 2019 hat das Gen-ethische Netzwerk kritisiert, dass die problematischen Aspekte der Technologie und ihre wissenschaftliche Unzulänglichkeit im Gesetzgebungsverfahren ignoriert werden. Stattdessen wird sich nach wie vor auf inzwischen vielfach widerlegte bzw. relativierten Aussagen einzelner Experten verlassen.

Technisch unausgereift

Die Analyse der Pigmentierung von Augen- Haar- und Hautfarbe sowie des Alters ist zwar grundsätzlich möglich, doch Wissenschaftler*innen haben immer wieder darauf verwiesen, dass die Vorhersagegenauigkeiten stark schwanken können und nicht den Testdaten aus dem Labor entsprechen. Eine Fehlleitung von Ermittlungen aufgrund von zu großem Vertrauen in die DNA-Technologie erscheint demnach höchst wahrscheinlich.Expert*innen, die die Einführung befürworten, verweisen darauf, dass die Technologie ausreichend validiert sei. Doch Studien zeigen, dass die „hinreichende Vorhersagegenauigkeit“ von dem das Bundesjustizministerium in seinem Gesetzesentwurf ausgeht, nicht gegeben ist. Beispielweise zeigte eine neue US-amerikanische Studie eine Fehlerrate von rund 40 Prozent bei Augenfarbe auf, bei Haarfarbe lag sie bei 20 Prozent.(1) Bei einer anderen Studie mit brasilianischen Proband*innen versagte die Technologie HIrisPlex-S (auf die sich meist bezogen wird) fast gänzlich dabei, Hautfarbe 2vorherzusagen.(2) Die Wissenschaft scheint also noch gar nicht so weit zu sein, wie es von den politisch Verantwortlichen vermittelt wird.

Nutzen fraglich

Immer wieder wird auf den Mordfall Maria L. verwiesen. Doch selbst Manfred Kayser, ein Hauptentwickler der Technologie hat inzwischen eingeräumt, dass die DNA-Analysen in diesem Fall – in einer Großstadt mit einer diversen Bevölkerung – nicht geholfen hätten. Vielfach wird behauptet, in anderen Ländern würde die Technologie erfolgreich eingesetzt, doch Studien über Schaden und Nutzen fehlen. Es ist kein einziger Fall bekannt, bei der die Vorhersage von Augen- Haar- und Hautfarbe und des Alters zur Aufklärung eines Falls geführt hat!

Gefahr des Racial Profiling

Ein schwerwiegendes Problem der Technologie stellt die Gefahr der Pauschalverdächtigung von gesellschaftlichen Minderheiten dar. Die Analyseergebnisse ergeben kein „genetisches Phantombild“ sondern grobe Vorhersagen der Pigmentierung einzelner Merkmale – die Kombination daraus trifft jeweils auf viele Menschen zu. Wie sowohl der immer wieder (fälschlicherweise als Anwendungserfolg) angeführte Mordfall von Marianne Vaatstra aus den Niederlanden, als auch der aktuelle Fall des „Allgäuer Triebtäters“ aus Bayern gezeigt haben, werden Merkmale der Mehrheitsgesellschaft bei Ermittlungen nichts nutzen. Nur Merkmale von Minderheiten helfen dabei, den Kreis der Verdächtigen einzugrenzen. So werden Personen aus Minderheiten öfter von Ermittlungen belangt und rassistische Stereotype einer erhöhten Kriminalität zwangsläufig verstärkt werden. Zwar ist im Gesetzesentwurf die Rede davon, dass es „ nicht zu einem Missbrauch […] im Sinne rassistischer Stimmungsmache oder Hetze kommen darf“, doch diesem Ratschlag folgen keinerlei Maßnahmen, die einen sensiblen Umgang sicherstellen würden.Die Bundesregierung hat, „als bewusste Entscheidung“,die Analyse des Merkmals „bio-geografische Herkunft“ nicht aufgenommen, da laut Justizministerin Christine Lambrecht durch die Analyse einer vermeintlichen kontinentalen Herkunft „größere Gruppen an den Pranger gestellt werden“ können.(3) Doch die Bestimmung einer Hautfarbe wird genau denselben Effekt haben und muss daher mit demselben Argument abgelehnt werden. Auch in der Expertenanhörung des Rechtsausschusses am 11.11.2019 konnte rassistische Diskriminierung als Folge der Anwendung von den zwei dazu befragten Experten nicht ausgeschlossen werden!Es stellen sich noch viele Fragen bezüglich der Anwendung in Ermittlungen. Wie wird die Polizei etwa nach „Hautfarbe = dunkel“ fahnden? Dieses Merkmal ist bisher in keiner Datenbank vermerkt – werden entsprechende Datenbanken angelegt? Oder wird von Nationalität auf Hautfarbe geschlossen? Wie wird die Hautfarbe von Büger*innen entsprechend des Analyseergebnisses (bei dem System HIrisplex-S von Manfred Kayser z.B. 5 Hautfarben) einsortiert? Geschieht dies nach Augenmaß der verantwortlichen Polizist*innen? Fälle aus Deutschland („Phantom von Heilbronn“) und dem Ausland zeigen gut dokumentiert die Gefahr der Diskriminierung von Minderheiten durch Fahndungen mittels Erweiterter DNA-Analysen. Diesem Effekt muss vorgebeugt werden, statt fälschlicherweise immer wieder zu behaupten, es handele sich beim Aussehen nicht um sensible Informationen.

Massive Datenschutzverletzung

Der immer wieder angeführte Vergleich mit Videoüberwachung und Aussagen von Zeug*innen ist inkorrekt. Zum einen verwies auch der Rechtsanwalt Stefan Conen (Vereinigung Berliner Strafverteidiger e. V.) bei der Expertenhörung am 11.11.2019 darauf, dass während Zeug*innen sich bemühen Täter*innen zu beschreiben, DNA nicht „spreche“, und eine DNA-Spuren am Tatort nicht im Tatzusammenhang stehen muss. Zum anderen entspricht die im Gesetzesentwurf vertretene Einschätzung, die Untersuchung von Spurenmaterial auf Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie des Alters greife nicht in den absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit ein, weder bisher geltenden Datenschutzstandards noch molekulargenetischen Erkenntnissen. DNA-Daten sind keine gewöhnlichen personenbezogenen Daten, sondern sie sind durch ihren hohen Informationsgehalt und ihre vielfältige Verwendungs- (und damit Missbrauch-)möglichkeiten als gesonderte, besonders sensible Datenkategorie zu betrachten. Darauf weißt auch die Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins hin und fordert daher, dass die Analyse von Augen-, Haar- und Hautfarbe unterbleiben muss.(4)Die Ausweitung von polizeilichen Analysebefugnissen auf die sogenannte „kodierende“ DNA ist ein tiefer Einschnitt in den Datenschutz von Betroffenen. Bisher durfte zur Bestimmung der Identität einer Person auf Marker in der „nicht-kodierenden“ DNA zurückgegriffen werden, die keine Angaben über persönliche Merkmale enthalten soll. Mit den neuen Analysekompetenzen werden automatisch Nebenbefunde über andere Eigenschaften generiert. Die moderne Genomforschung zeigt, dass jedes Gen, jede Genvariante mit einer Vielzahl von Eigenschaften in Zusammenhang gebracht werden kann. Die Darstellung der scharfen Begrenzung der Analyse auf einige konkrete Eigenschaften ist daher wissenschaftlich inkorrekt bzw. verkürzt. Eine aktuelle Studie zeigt, dass zum jetzigen Stand der Forschung schon für einige der Genvarianten, die für die Bestimmung von äußeren Merkmalen verwendet werden, Korrelationen mit Erkrankungsrisiken bekannt sind.(5) Mit dem exponentiellen Anwachsen des Wissensstands im Bereich der humangenetischen Forschung ist davon auszugehen, dass das Wissen über den Informationsgehalt des durch die Polizei analysierten Bereichs noch einmal deutlich steigen wird. Die massive Verletzung von bisherigen Standards des Datenschutzes gilt dabei nicht nur für potenzielle Täter*innen, sondern einen großen Kreis von unbeteiligten Personen, deren DNA auch durch Transfer durch Dritte oder angefasste Gegenstände an den Tatort gelangt sein kann. Hinzu kommen alle (auch zukünftigen) biologischen Verwandten der betroffenen Person, deren genetische Daten indirekt mit analysiert werden.

Ausweitungsgefahr

Wir sehen zudem eine große Gefahr der Ausweitung auf weitere Merkmale, wenn der datenschutzrechtliche Dammbruch einmal erfolgt ist. Die DNA-Datenbank des BKA wurde 1998 eingeführt, um schwere Straftaten aufzuklären, aber heute wird sie zum allergrößten Teil zur Aufklärung von Bagatelldelikten verwendet. Schon jetzt wünschen sich die Befürworter*innen aus Forensik, Polizei und Politik die Ausweitung auf die angeblich so viel genauer ermittelbaren „biogeografischen Herkunftsmarker“ oder sprechen sich sogar für keinerlei scharfe Begrenzung aus, welche Merkmale erlaubt sein sollen und welche nicht.

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• Wir protestieren gegen die fehlgeleitete politische und mediale Darstellung dieser Methoden. Die sicherheitspolitisch geforderten DNA-Analysen sind keine Wahrheitsmaschinerie, sondern hochgradig fehleranfällig. Die Gefahren ihrer Anwendung wiegen weitaus schwerer als ihr geringer kriminalistischer Nutzen!

• Wir protestieren dagegen, dass das Gesetzesvorhaben rassistischer und antiziganistischer Stimmungsmache Vorschub leistet. Öffentliche Generalverdächtigungen gegen diskriminierte Gruppen aufgrund der Analyse von Haut-, Haar- und Augenfarben dürfen nicht durch solche Verfahren ermöglicht werden!

• Wir protestieren dagegen, dass bisher gültige Datenschutzrechte dramatisch verletzt werden, wenn Rückschlüsse auf persönliche Eigenschaften via DNA-Analyse erlaubt werden!

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Literatur

(1) Sharma et al (2019): Evaluation of ForenSeqTM Signature Prep Kit B on predicting eye and hair col-oration as well as biogeographical ancestry by using Universal Analysis Software (UAS) and available web-tools. Electrophoresis, doi: 10.1002/elps.201800344.

(2) Carratto et al. (2019): Evaluation of the HIrisPlex-S system in a Brazilian population sample. Forensic Science International: Genetics, doi: 10.1016/j.fsigss.2019.10.180.

(3) Rath (2019): Justizministerin zur DNA-Strafver-folgung. „Das ist keine Stigmatisierung!“, taz, 12.09.2019.

(4) Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz eines Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens, 19.10.2019.

(5) Bradbury et al. (2018): Off-target phenotypes in fo-rensic DNA phenotyping and biogeographic ancestry inference: A resource. Forensic Science Internation-al: Genetics, doi: 10.1016/j.fsigen.2018.10.010